Die konventionelle Stimmausbildung wird gegenwärtig durch eine Anzahl neuer gesangsmethodischer Elemente
erweitert. Insbesondere Körpertechniken, die den Singvorgang unterstützen sollen, werden immer mehr Bestandteil der Gesangstechnik. Die physio-akustische Stimmbildung integriert deshalb auch diese, das Gesangsorgan entlastenden und unterstützenden Elemente, zeichnet aber darüber hinaus einen methodisch völlig neuen Weg einer stimmlichen Entwicklung vor.
So werden Bewegungs- und Funktionsabläufe des Singorgans, der Atmung, etc., nach der schon physiologisch angelegten und vorgegebenen Körperfunktionen ausgerichtet. Gesangsästhetische Maximen werden zu Beginn der Ausbildung zunächst ausgeklammert, um das physiologische „Urmuster“ des Phonationsvorganges nicht zu stören.
Einen zweiten, wichtigen Bestandteil stellen die stimm- und raumakustischen Phänomene dar. Die exakte Platzierung des Stimmsitzes, das Erfühlen der Registrierung im Kehlkopf und die darauf ausgerichtete stimmlich adäquate Aspiration, Phonation und Artikulation gewährleisten eine hocheffiziente Stimmfunktion. Besonders die Differenzierung von Sing- und Sprechvokalen, (diese werden in unterschiedlichen Abschnitten des Ansatzrohrs gebildet) die Entwicklung eines für die Stimmfunktion rückwirkungsfreien Konsonantartikulationskonzeptes, das Erreichen einer Tragfähigkeit der Stimme durch Formantmanagement stehen im Mittelpunkt der stimmlichen Ausbildung.
Das aus der Forschung der letzten Jahre gewonnene Wissen um die physiologischen und akustischen Abläufe
beim Singen, führen zwangsläufig zu anderen methodischen Stimmentwicklungsschritten, als dies bei der traditionellen Gesangsausbildung der Fall ist. Die Ausbildung und Differenzierung nach
sog. Stimmfächern ist deshalb zu Beginn einer physio-akustischen Stimmausbildung nicht angezeigt. Die angestrebte Entwicklung einer Stimmfunktion, die vorerst nach allen Richtungen hin offen
ist, deckt sich interessanterweise auch mit dem Vorgehen der alten italienischen Gesangsschulen des 17. Jahrhunderts.
Das Konzept des Canto Funzionale strebt zuforderst an, ein dem Sängertypus entsprechendes
Appoggio und das physio-akustische Phonations- und Artikulationsmodell für den Kunstgesang nutzbar zu machen. Eine pysio-akustische Gesangs- und Sprechmethodik ist derzeit in Vorbereitung.
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